Ich beginne mal mit dem Spielkompetenzmodell, was die Menschen, die beim DFB ihre Trainerausbildung gemacht haben, vielleicht schon das ein oder andere Mal gehört haben. Der DFB sagt im Grunde, dass jeder Spieler oder jede Spielerin auf dem Spielfeld in jeder Aktion im Grunde 3 Phasen durchläuft:
Bei mir sind es 4 Phasen.
Im Grunde kann man sich das so vorstellen, dass in jeder Aktion zuallererst Informationen wahrgenommen werden. Das Gehirn sammelt Informationen über die Sinne, die in irgendeiner Form verarbeitet werden müssen, geordnet werden, interpretiert werden. Auf dieser Grundlage habe ich unterschiedliche Handlungen bzw. Handlungsoptionen.
Dann treffe ich meine Entscheidung und wenn ich meine Entscheidung getroffen habe, resultieren daraus letztendlich die Handlungen und das, was wir letztendlich auf dem Platz sehen.
Ich habe mir das Training vieler Mannschaften angesehen, meines natürlich auch, und habe mit überlegt, wenn diese 4 Phasen unsere Aktionen entscheiden, warum trainieren wir letztendlich vor allen Dingen das Handeln, bzw. warum liegt der Fokus immer auf der Ausführung bzw. dem Handeln? Wir trainieren athletisch, wir trainieren passen, wir trainieren schießen, wir trainieren dribbeln und wir trainieren Technik. Klar, wenn wir spielen, trainieren wir immer alles aber mir war ganz wichtig, einen Weg zu finden, wie ich auch den Fokus des Trainings auf die ersten beiden Phasen dieses Prozesses der Wahrnehmung und der Informationsverarbeitung, wie ich den Fokus auch darauf legen kann.
Man spricht von 60 bis 80 % werden über die Augen wahrgenommen. Natürlich gibt es auch noch den Gehörsinn, wenn Mitspieler oder der Trainer was zurufen oder auch den Tastsinn, wenn man einen Gegner im Rücken hat. Die meisten Informationen werden aber über die Augen wahrgenommen.
Daher sind Schulterblicke wichtig für die Vororientierung um schon vorzeitig zu sehen, wieviel Druck habe ich, wenn ich den Ball jetzt bekomme, wo stehen eventuell Mitspieler, wo entstehen Räume in die ich mich reinbewegen kann oder den Ball einspielen kann.
Und letztendlich sagt man, je mehr Informationen vorher wahrgenommen wurden, bevor ich den Ball bekommen habe, desto mehr Informationen stehen mir zur Verfügung um eine gute Entscheidung zu treffen. Die meisten Fehler auf dem Platz, wenn man das mal beobachtet, sind Wahrnehmungsfehler.
Es gibt wissenschaftliche Studien, wie häufig Spielerinnen und Spieler während dem Spiel oder im Training den Schulterblick machen bevor sie den Ball bekommen. Wie wirkt sich die Scanfrequenz auf die Passquote oder die Entscheidungsgeschwindigkeit aus. Um ein Beispiel zu nennen wurden knapp 120 Mittelfeldspieler und Stürmer in der Premier League untersucht. Hier wurde mit einer Kamera ein ganzes Spiel gefilmt und wirklich gezählt, wie häufig diese Spieler aktiv wahrnehmen, den Schulterblick machen, ihren Kopf drehen um Informationen wahrzunehmen.
Diejenigen, die sich sehr sehr häufig orientieren, konnten eine 20% bessere Passquote aufweisen. Zudem waren sie in jeder Aktion durchschnittlich eine halbe Sekunde schneller als diejenigen, die sich nicht bzw. zu wenig orientieren.
Wenn man sich überlegt wieviel Zeit und Geld im Allgemeinen für z.B. Personal in Athletiktraining investiert wird, um Spielerinnen und Spieler schneller zu machen obwohl wir im Grunde eigentlich unsere Spielerinnen und Spieler beibringen müssen, nur häufiger über die Schulter zu blicken um Informationen Wahrzunehmen damit sie deutlich schneller werden.
Dies sieht am oft an Top Mittelfeldspielern, die evtl. nicht mehr die Geschwindigkeit haben und trotzdem noch mit Mitte 30 Top Performance abliefern. Spieler, die eine sehr gute Orientierung haben und relativ viel scannen, plus die Kombination von tollen Erstkontakten und guten Entscheidungen, machen den Unterschied.
Der erste Step in meinem Training ist es, das es zur Gewohnheit wird, häufiger den Blick vom Ball abzuwenden und Informationen der Umgebung wahrzunehmen. Wenn das geschafft ist, und der Schulterblick in Fleisch und Blut übergegangen ist, komme ich zum zweiten Step.
Anfangs habe ich das Spielkompetenzmodell erwähnt, was fängt mein Gehirn tatsächlich mit diesen Informationen an. Nur sehen reicht hier nicht aus und man hat damit noch nichts erreicht. Die ganzen Informationen die ich wahrgenommen bzw. gesammelt habe, müssen auch geordnet, interpretiert und abgespeichert werden. Spannend ist tatsächlich, was passiert mit den Informationen im Kopf, wenn wir wahrgenommen haben. Man kann sich das ganze so ein bisschen wie ein Smartphone oder Computer vorstellen. Ein Smartphone oder ein Computer hat einen Arbeitsspeicher, in dem kurzfristige Informationen gespeichert und verarbeitet werden können. Und das hat unser Gehirn auch. Man spricht von Arbeitsgedächtnis, das ist der Teil unseres Gehirns, in dem kurzfristig diese Informationen, die man z.B. über die Schulterblicke gesammelt hat, kurzfristig gespeichert werden und in irgendeiner Form geordnet und verarbeitet werden.
Man kann sich das so vorstellen, je größer der Arbeitsspeicher, desto schneller die Verarbeitung mehrerer Prozesse gleichzeitig und so ist das auch mit unserem Gehirn. Je größer die Kapazität unseres Arbeitsgedächtnisses ist, desto schneller und mehr Prozesse können gleichzeitig ablaufen und dazu die Informationen verarbeiten.
Selektive Wahrnehmung, also wie gut schaffe ich es auch, unnötige Informationen für mich auszublenden oder wieder aus meinem Arbeitsgedächtnis zu löschen. Im Fußball kann man sich das so vorstellen, es gibt unheimlich viele Informationen die einen ablenken können. Zum Beispiel Zuschauer, Coaching von anderen Spielern oder anderen Trainern und wie gut schaffe ich es, diese Informationen auszublenden, aus meinem Arbeitsgedächtnis zu löschen und mich wirklich auf diese Reize zu fokussieren, die wirklich relevant für mich sin.
Auch eine weitere Exekutive Funktion ist die kognitive Flexibilität, also wir gut kann ich zwischen unterschiedlichen Aufgaben Switchen, also wie schnell schaffe ich es Informationen, die für mich gar nicht mehr relevant sind, aus meinem Gedächtnis zu löschen um schnell wieder neue aufnehmen zu können.
Im Fußball passiert das im Grunde andauernd. Nehmen wir mal an ich bin ein zentraler Mittelfeldspieler und ich scanne meine Umgebung, sammle Informationen, bekomme vielleicht gleich den Ball, mache mir schon einen Plan im Kopf, wo ich den Ball vielleicht hin spielen möchte, wenn ich gleich den Ball bekommen habe und plötzlich verliert meine Mannschaft den Ball. Informationen, die ich vorher gesammelt habe, sind überhaupt nicht mehr relevant.
Genau hier setzt mein Training an. Schulterblicke, Vororientierung, Informationsverarbeitung, kognitive Flexibilität, selektive Wahrnehmung, Kreativität, erster Kontakt und Passspiel. Alle diese Dinge vereint in meinem Training. Werde mit meiner Hilfe zum Unterschiedsspieler und werde im Kopf sowie bei deinen Handlungen schneller.